Für höhere Präzision: Was das Quanten-Squeezing leisten kann

Unschärfe dominiert das Quantenreich, doch sie kann zu unserem Vorteil manipuliert werden – etwa bei der Raumforschung oder der Verbesserung der Zeitmessung.

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Forscher installieren eine Quanten-Squeezing-Einrichtung in einem Detektor des Laser-Interferometer-Gravitationswellenobservatoriums.

(Bild: Lisa Barsotti)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Sophie Chen
Inhaltsverzeichnis

Wenn sich zwei Schwarze Löcher spiralförmig aufeinander zu bewegen und dann zusammenstoßen, erschüttern sie die Raumzeit und erzeugen Wellen, die sich über Hunderte Millionen Lichtjahre ausbreiten können. Seit 2015 beobachten Wissenschaftler diese Gravitationswellen schon direkt, um grundlegende Fragen über unseren Kosmos zu klären – darunter die Herkunft schwerer Elemente wie Gold oder die Geschwindigkeit, mit der sich das Universum ausdehnt.

Doch der Nachweis von Gravitationswellen ist bislang schwer. Bis sie die Erde und die Zwillingsdetektoren des Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatoriums (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory, LIGO) in den US-Bundesstaaten Louisiana und Washington erreichen, haben sich die Wellen schon fast aufgelöst, sind kaum noch feststellbar. Die Detektoren des LIGO müssen Bewegungen in der Größenordnung eines Zehntausendstels der Breite von Protonen erfassen, um überhaupt eine Chance zu haben. LIGO hat bisher immerhin 90 Gravitationswellendetektierungen bestätigen können, aber die dort beschäftigten Physiker wollen noch deutlich mehr nachweisen. Das System muss daher noch viel empfindlicher gemacht werden – eine große technische Herausforderung.

"Das Problem bei diesen Detektoren ist, dass man jedes Mal, wenn man versucht, sie zu verbessern, die Erkennungsleistung sogar noch verschlechtern kann, weil sie so empfindlich sind", sagt Lisa Barsotti, Physikerin am Massachusetts Institute of Technology. Dennoch haben Barsotti und ihre Kollegen diese Herausforderung kürzlich gemeistert und eine Hardware entwickelt, mit der das LIGO weitaus mehr Verschmelzungen von Schwarzen Löchern und Kollisionen von Neutronensternen erkennen kann. Das Gerät gehört zu einer wachsenden Klasse von Instrumenten, die das sogenannte Quanten-Squeezing nutzen – eine Möglichkeit für Forscher, die eigentlich problematische Unschärferelation aus der Quantenmechanik für praktische Anwendungen zu verwenden.

Physiker beschreiben Objekte im Quantenbereich üblicherweise mithilfe von Wahrscheinlichkeiten. Ein Elektron befindet sich beispielsweise nicht "hier oder dort", sondern kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an jedem möglichen Ort gefunden werden. Wobei es sich genau genommen an einem bestimmten Ort nur dann befindet, wenn man auch misst, ob es sich dort befindet. Durch Quanten-Squeezing können diese Wahrscheinlichkeiten manipuliert werden. Forscher setzen es daher zunehmend dazu ein, mehr Kontrolle über den Messprozess auszuüben und so die Präzision von Quantensensoren wie die des LIGO drastisch zu verbessern.

"Bei Präzisionssensoranwendungen, bei denen es darum geht, sehr schwache Signale zu erkennen, kann das Quanten-Squeezing ein ziemlich großer Gewinn sein", sagt Mark Kasevich, Physiker an der Stanford University. Er selbst nutzt das Phänomen, um präzisere Magnetometer, Gyroskope und Uhren für Navigationsanwendungen zu entwickeln. Das kanadische Start-up Xanadu setzt die Technik in seinen Quantencomputern ein. Im letzten Herbst kündigte die US-Forschungsbehörde DARPA das Programm "Inspired" an, das die Entwicklung der Quanten-Squeezing-Technologie in Form eines einzelnen Chips zum Ziel hat. Bereits jetzt gibt es praktische Anwendungen für das Verfahren.

Das Schlüsselkonzept hinter dem Quanten-Squeezing ist das Phänomen der Heisenbergschen Unschärferelation. In einem quantenmechanischen System setzt dieses Prinzip eine fundamentale Grenze für die Genauigkeit bei der gleichzeitigen Messung zweier Eigenschaften eines Objekts. Egal, wie gut das Messgerät auch ist, unterliegt solch eines stets einer grundlegenden Ungenauigkeit, die Teil der Natur selbst ist. Physiker nennen diese Eigenschaften "komplementäre Eigenschaften". Wenn man zum Beispiel die Geschwindigkeit eines Teilchens genau messen will, muss man auf die Genauigkeit bei der Bestimmung seines Standorts verzichten und umgekehrt. "Die Physik setzt Experimenten und insbesondere der Präzisionsmessung Grenzen", sagt John Robinson, Physiker beim Quantencomputer-Startup QuEra.

Man kann das Prinzip aber auch nutzen, indem man mehr Unschärfe der physikalischen Eigenschaften zulässt, die man nicht messen will. Durch dieses "Squeezing" können Forscher die Präzision der gewünschten Messung erhöhen. Theoretische Physiker schlugen bereits in den 1980er-Jahren vor, die Unschärfe bei der Messung auszugleichen. Seitdem haben Experimentalphysiker die Ideen weiterentwickelt; in den letzten anderthalb Jahrzehnten führten die Experimente, die man zuvor über ganze Tische ausbreiten musste, zu praktisch einsetzbaren Geräten. Die große Frage ist nun, welche Anwendungen davon profitieren werden. "Wir sind gerade erst dabei, zu verstehen, was diese Technik werden könnte", sagt Kasevich. "Dann wird hoffentlich unsere Vorstellungskraft wachsen und uns dabei helfen, herauszufinden, wofür sie wirklich gut ist."

LIGO bahnt gerade den Weg, diese Frage zu beantworten – in Form verbesserter Detektoren, die extrem kleine Distanzen messen können. Das Observatorium registriert Gravitationswellen mit L-förmigen Maschinen, die in der Lage sind, winzige Bewegungen entlang ihrer vier Kilometer langen "Arme" zu erfassen. An jeder dieser Riesenmaschinen teilen die Forscher einen Laserstrahl in zwei Segmente und senden einen Strahl an jedem der Arme entlang, der von einer Reihe von Spiegeln reflektiert wird. In Abwesenheit einer Gravitationswelle sollten sich die Berge und Täler der einzelnen Lichtwellen bei der Rekombination der Strahlen vollständig gegeneinander auslöschen. Wenn jedoch eine Gravitationswelle durchläuft, werden die Arme abwechselnd gestreckt und gestaucht, sodass die geteilten Lichtwellen leicht phasenverschoben sind.

Die sich daraus ergebenden Signale sind jedoch so schwach, dass sie vom Rauschen des sogenannten Quantenvakuums übertönt werden könnten, dem unvermeidlichen Hintergrundrauschen des Universums, das durch die ein- und ausschwingenden Teilchen verursacht wird. Das Quantenvakuum führt zu einer Art Hintergrundflimmern von Licht, das in die Arme des LIGO eindringt. Dieses Licht stößt gegen die Spiegel und verschiebt sie auf der gleichen minimalen Skala wie die Gravitationswellen, die LIGO eigentlich aufspüren will.

Barsottis Team kann dieses Hintergrundflimmern nicht einfach loswerden, aber durch Quanten-Squeezing können sie es in begrenztem Umfang kontrollieren. Zu diesem Zweck installierte das Team in jedem der beiden L-förmigen LIGO-Detektoren einen 300 Meter langen Hohlraum. Mithilfe von Lasern können sie darin ein künstliches Quantenvakuum erzeugen, in dem sie die physischen Bedingungen manipulieren, um den Grad der Kontrolle darüber zu erhöhen, wie hell das Flimmern sein kann oder wie zufällig es im Zeitverlauf auftritt. Der Nachweis von Gravitationswellen mit höheren Frequenzen ist jedoch schwieriger, wenn der Rhythmus des Flackerns zufälliger ist, während Gravitationswellen mit niedrigeren Frequenzen übertönt werden können, wenn das Hintergrundlicht heller wirkt. In ihrem künstlichen Vakuum tauchen die "verrauschten" Teilchen zwar immer noch in den Messungen auf, aber auf eine Weise, die den Nachweis von Gravitationswellen nicht mehr so stark stört. "Man kann das Vakuum verändern, indem man es so manipuliert, dass es für einen selbst nützlich ist", erklärt Barsotti.

Bis diese Innovation fertig war, gab es einen jahrzehntelangen Entwicklungsprozess: In den 2010er-Jahren hat LIGO schrittweise immer ausgefeiltere Formen des Quanten-Squeezing integriert, die auf theoretischen Ideen aus den Achtzigerjahren basierten. Mit der neuesten Quanten-Squeezing-Innovation, die im letzten Jahr am Detektor installiert wurde, erwarten die Forscher nun, dass Gravitationswellen bis zu 65 Prozent häufiger als zuvor entdeckt werden können.