Missing Link: 25 Jahre Informationsfreiheit – Wissen ist Macht

Seite 2: Es besteht Handlungsbedarf

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Dennoch, unterstreicht Hartge, besteht Handlungsbedarf: Nach 25 Jahren sei es an der Zeit, das AIG weiterzuentwickeln. "Die Gesellschaft hat sich in der Zwischenzeit unübersehbar gewandelt", weiß die Leiterin der Aufsichtsbehörde. "Ihre Erwartungen an einen transparenten Staat sind erheblich gestiegen." Diese Veränderung "muss sich auch in der Gesetzgebung wiederfinden". Ein Transparenzgesetz, das dem Antragsrecht der Bürger eine Pflicht der Verwaltung zur aktiven Veröffentlichung von Informationen zur Seite stellt, sei daher überfällig: "Andere Länder sind diesen Weg längst gegangen; Brandenburg hingegen verharrt in der Rolle des Zuschauers."

Auch die bestehenden AIG-Vorschriften gehören Hartge zufolge auf den Prüfstand: "Sein umfangreicher Ausnahmenkatalog ließe sich erheblich reduzieren." Angemessener seien etwa Vorgaben zum Abwägen "zwischen Geheimhaltung und öffentlichem Einsichtsinteresse". Niemand verstehe zudem, "weshalb die Landesbeauftragte nur allgemeine Akteneinsichten kontrollieren darf, nicht aber den in der Praxis häufig nachgefragten Zugang zu Umweltinformationen". Hier müssten das AIG und das Umweltinformationsgesetz vereinheitlicht werden. Insgesamt habe das Informationsfreiheitsrecht des Landes "gehörig Staub angesetzt".

Vorreiter bei einem Transparenzgesetz war Hamburg. Dieses trat dort 2012 in Kraft und diente seitdem als Messlatte für andere Länder. Ende 2019 beschloss die Bürgerschaft der Hansestadt aber mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen sowie CDU und FDP Änderungen, die das "gläserne Rathaus" weniger durchsichtig machten. So müssen nun etwa Ämter Namen und Anschrift von Antragstellern auf Akteneinsicht gegenüber Betroffenen in einigen Bereichen offenlegen.

Gegner der Reform hatten zu bedenken gegeben, dass der investigative Reporter Ján Kuciak in der Slowakei ermordet worden sei, nachdem eine Behörde seine Adresse bei einer Informationsanfrage weitergegeben habe. Die Ämter in Hamburg müssen nach den Protesten nun prüfen, ob nicht das Interesse des Antragstellers an der Geheimhaltung seiner Identität überwiegt.

Zudem entfällt seit der Novelle die Anforderung an die Behörden, die angefragten Informationen "unverzüglich" herauszugeben. Es greift nur noch die allgemeine Frist von einem Monat. Dazu kam eine Ausnahme von der Informationspflicht, soweit und solange dieser etwa der Patent- oder Urheberrechtsschutz entgegenstehen. Andererseits muss seit 2021 die mittelbare Staatsverwaltung, zu der etwa die Handelskammer oder die öffentlichen Hochschulen gehören, wichtige Informationen von öffentlichem Belang in das Transparenzportal einstellen.

Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland (IFK) rief den Gesetzgeber auf Bundesebene Mitte 2021 dazu auf, das dortige Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu reformieren und zu einem modernen Transparenzgesetz mit einem zugehörigen Register weiterzuentwickeln. Darin sollten vor allem Kabinettsbeschlüsse und zugehörige Vorlagen, Verträge von öffentlichem Interesse, Gutachten, Studien und wesentliche Unternehmensdaten staatlicher Beteiligungen publiziert werden. Dies sei wichtig für die Demokratie, denn diese könne "nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen".

Auch das IFG des Bundes enthält breite Ausnahmen ganzer Verwaltungssektoren und Behörden. Die IFK hält einige dieser Ausschlussgründe für überflüssig, zudem gebe es hier Überschneidungen. Die entsprechenden Klauseln sollten daher reduziert und harmonisiert werden. Ganz abgeschafft werden müssten die Bereichsausnahmen für den Verfassungsschutz. Der Schutz konkreter Sicherheitsbelange im Einzelfall reiche aus. Die Konferenz begründet ihren Appell damit, dass mehr Transparenz "das Vertrauen in die Verfassungsschutzbehörden" stärke und ihre Legitimation erhöhe.

Das Ampel-Regierungsbündnis hat im Koalitionsvertrag vereinbart, in dieser Legislaturperiode ein Bundestransparenzgesetz auf den Weg zu bringen. Doch still ruht der See. Ein zivilgesellschaftliches Bündnis wollte Rot-Grün-Gelb bei der geplanten Stärkung der Informationsfreiheit unter die Arme greifen und präsentierte Mitte 2022 einen eigenen Entwurf für ein solches Rahmenwerk. Demnach müssten Ämter und Staatsbetriebe künftig etwa sogar bislang geheime Verträge, Treffen zwischen Lobbyisten und Regierungsmitgliedern sowie interne Gutachten von sich aus kostenlos online bereitstellen. Dazu soll ein elektronisches Informationssystem eingerichtet werden.

Auch mit der Steilvorlage bewegen sich Exekutive und Legislative in dieser Frage aber nicht. "Auf Bundesebene steht die Verwaltung auf der Bremse", berichtet Arne Semsrott, Leiter des Transparenzprojekts FragDenStaat bei der Open Knowledge Foundation Deutschland (OKF), heise online. Das Bundesinnenministerium habe bis Ende 2022 Eckpunkte für ein Transparenzgesetz vorlegen wollen, "hat aber noch immer nicht geliefert". Der Aktivist befürchtet, dass die Bundesregierung das Vorhaben "so lange verzögert, dass es nichts mehr wird". Das wäre sicher im Sinne der Bundesministerien.

Semsrott beklagt zugleich: "25 Jahre nach dem ersten Informationsfreiheitsgesetz gibt es immer noch zwei Bundesländer ohne IFG: Niedersachsen und Bayern." Ferner habe sich seit dem Hamburger Transparenzgesetz die Qualität der einschlägigen Rechtsakte wieder verschlechtert. Insbesondere die neueren IFG in Baden-Württemberg und Hessen "sind so schlecht, dass es fast besser gewesen wäre, wenn es sie nicht gäbe".