Mobile-Box-Gründer: Ich suche Lösungen für die Altlasten der Digitalisierung

Das Sammeln von privaten Mobilgeräten ist zu einem schwierigen Geschäft geworden, erklärt einer der Gründer von Mobile-Box und Green2B. Der Markt wandelt sich.

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(Bild: Estrada Anton/Shutterstock.com)

Lesezeit: 17 Min.
Inhaltsverzeichnis

Mehr als zehn Jahre lang hat der Gründer Till von Pidoll mit Mobile-Box gebrauchte Handys gesammelt und für die Wiederverwertung fit gemacht oder dem Recycling zugeführt. Mobile-Box hat nun in diesem Sommer den Betrieb eingestellt, von Pidoll und sein Partner Julian Steinbüchel machen stattdessen mit der zweiten Gründung Green2B weiter. Till von Pidoll hat heise online im Interview erklärt, weshalb Mobile-Box nicht fortgeführt werden konnte und welche Probleme die Wiederverwertung und das Recycling von Mobiltelefonen weiterhin begleiten.

Till von Pidoll

(Bild: 

David Sünderhauf

)

2012 gründeten Till von Pidoll und Eric Schumacher aus der Universität heraus das Handy Sammelsystem Mobile-Box, später kam Green2B hinzu. Heute befindet sich das Unternehmen mitten in der Transformation.

Sie haben über zehn Jahre Mobile-Box betrieben und auch mit der Umwelthilfe zusammengearbeitet – nun haben Sie diesen Geschäftszweig aber eingestellt und machen nur noch mit Green2B weiter. Was sind die Gründe dafür?


Genau – wir haben zwei Rücknahmesysteme etabliert. Das ist auf der einen Seite die Mobile-Box seit über zehn Jahren und auf der anderen Seite Green2B seit sechs Jahren. Der Unterschied zwischen beiden Systemen ist letztlich die Zielgruppe und die Verfassung des Endgeräts.

Grundsätzlich ist auch jetzt die Sammlung und die Spende von alten Handys möglich. Allerdings ist der Gesetzgeber oder das Gefahrgutrecht sehr sensibel, wenn es um defekte Geräte geht. Und die große Frage ist: Wann ist ein Gerät defekt und vielleicht auch gefährlich?

Das mussten bei Mobile-Box die Spendenden und später die Aufsteller der Boxen beurteilen. Welche Gefahren lauerten darin?

Als Systemanbieter muss man tatsächlich vieles im Blick behalten, damit auch die Aufsteller oder Spendenden zurechtkommen. Die Geräte, die zum Beispiel in eine Box in einem Biomarkt eingeworfen wurden, sollten intakt sein und den Gefahrgutrichtlinien entsprechen. Wenn sie hunderte Sammelstandorte haben, dann ist das eine ziemliche Herausforderung. Denn Sie müssen den Spendenden Informationen zur Verfügung stellen, die sie über die Voraussetzungen aufklären. Und die vor Ort betreuende Person muss das auch schaffen können. Der Biomarktbesitzer muss uns beispielsweise schriftlich versichern, dass ihm alle Voraussetzungen bewusst sind und er auch die Versandhinweise verstanden hat. Das konnte er über die Anmeldung in unserem Handysammelpartnerportal machen.

Als wir vor zehn Jahren damit angefangen haben, mussten wir auch schon sehr viel beachten. Wir brauchten Genehmigungen und mussten auch lange auf diese warten – wir haben über ein Jahr gebraucht, um überhaupt an den Punkt zu kommen, alte Handys sammeln zu dürfen. Das war, als ich 20 war. Die Rahmenbedingungen haben sich aber weiter verändert – etwa durch die Novellierung des ADRs (EU-Gefahrgutvorschriften) und des Elektronikgerätegesetzes. Auch die Rücknahme im Supermarkt wurde gestärkt.

Das sind an sich positive Entwicklungen; Lithium-Ionen-Akkus können durchaus gefährlich sein, wenn sie unsachgemäß gelagert werden oder defekt sind. Und da muss der Gesetzgeber natürlich auch das Sicherheitsprinzip an erste Stelle stellen. Das kann ich alles nachvollziehen. Das macht es für mich als Unternehmer aber auch schwieriger, Altgeräte einsammeln zu können. Ich muss hier einen Prozess etablieren, der rentabel ist.

Seit 2012 haben wir das nun versucht und es ist zunehmend schwieriger geworden, diese ganzen Bedingungen zu erfüllen. Wir haben einen Weg gefunden, wie das mit sehr viel Aufwand realisierbar wäre, aber weitere wirtschaftliche Faktoren haben uns dazu veranlasst, diese Bemühungen bei der Privathandysammlung einzustellen. Denn es gab auch noch andere Kipppunkte für uns.


Welche wären das?


Die Nachfrage nach älteren Handys – und ich rede jetzt von Nokia-Geräten und Co. – ist von Jahr zu Jahr deutlich geringer geworden. Das liegt auch daran, dass das 3G-Netz abgeschaltet wurde. Das hat dazu geführt, wenn Sie sich ein älteres Smartphone gekauft haben – zum Beispiel ein Samsung S3 Mini, das kostete bei uns etwa 45 Euro – damit nach der Abschaltung von 3G nur noch über WLAN ins Internet gehen konnten. Die Käufer hatten das aber unter anderem zur Whatsapp-Kommunikation mit einer Prepaid-Karte genutzt.

Durch die Abschaltung von 3G sind also sehr viele ältere Handys nahezu wertlos für die Weiterverwendung geworden.

Die Abschaltung hat direkt Elektroschrott produziert.

Ja. Ganz nüchtern betrachtet ist es unattraktiver geworden, sehr alte Handys zu verkaufen. Hinzu kommt auch die Qualität, die in den öffentlichen Sammlungen tatsächlich ankommt. Wenn Sie sich 100 Altgeräte vorstellen, die bei uns eingegangen sind, dann sind davon ungefähr 90 ins Recycling gegangen. Und das sind Geräte, bei denen hat sich eine Reparatur nicht mehr gelohnt. Da wussten wir: Die Wiederverwendbarkeit ist nicht gegeben.

Und dann blieben zehn Geräte in so einer Kiste, die Potenzial haben. Von diesen zehn waren aber vier oder fünf Geräte alte Smartphones, die auf 3G angewiesen sind. Nun bleiben noch fünf bis sechs und wenn von denen eines ein iPhone 8 ist – was ein wirklich tolles Gerät ist, für das es auch eine hohe Nachfrage gibt – dann hat das aber zum Beispiel einen Displayschaden.

So ein Gerät haben wir repariert und das kostet was. Wir sind schon hingegangen und haben versucht, möglichst wenige Ersatzteile zu kaufen und intakte Displays aus Geräten auszubauen, die andere Schäden aufwiesen. Aber an dieser Stelle müssen wir dann auch über die Skalierbarkeit nachdenken. Wie groß können wir diesen Prozess aufziehen? Was stecken wir hinein und was kommt dabei wirklich heraus? Gibt es eine Planungssicherheit?

Ein Reparatur-Laden an der Ecke, der kann sich um so etwas kümmern. Der bestellt das Ersatzteil on demand und lässt sich den Einbau und auch das Ersatzteil gut bezahlen. Wir waren aber darauf angewiesen, hunderte von diesen Geräten zu reparieren und dann einen Wertschöpfungsprozess zu etablieren, der sich aus dem Verkauf des Endgerätes ergibt. Und die Perspektive ist zugegebenermaßen keine gute. In zwei Jahren wird das mit der Mischung in den Boxen nicht besser sein, sondern was bekommt man dann noch am Ende raus? Denn eines ist ja klar. Damit ich ein solches Sammelsystem betreiben kann, muss es rentabel sein. Sonst geht es nicht. Wenn es Subventionen gäbe, sähe die Sache sicherlich völlig anders aus. Aber die Gesetzgebung hat einen Lösungsweg zur Erhöhung der Rücknahmequoten skizziert, der dies nicht vorsieht.