Neue Quelle: Forscher wollen aus Meerwasser mehr Lithium gewinnen

Wissenschaftler haben eine modifizierte Flussbatterie entwickelt. Sie reichert Lithium-Ionen bei einer hohen Energieeffizienz an.

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Solebecken zur Gewinnung von Lithiumcarbonat in der Wüste des US-Bundesstaats Nevada.

Die Lithiumsalz-Seen, wie diese in Nevada, kennt man. Doch nun haben Forscher vom INM Leibniz-Institut für Neue Materialien ein Verfahren entwickelt, das Lithium-Ionen aus dem Meerwasser sammelt.

(Bild: Neil Lockhart/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jan Oliver Löfken

Je schneller sich Elektroautos verbreiten, desto stärker steigt der Bedarf an Lithium für die notwendigen Batterien. Lag der Lithium-Bedarf vergangenes Jahr bei etwa 85.000 Tonnen, könnte er sich bis 2030 auf bis zu 400.000 Tonnen vervielfachen. Chile und Australien zählen heute zu den wichtigsten Herkunftsländern für Lithiumsalze. In Europa wird beispeilsweise an einer Lithium-Gewinnung im Erzgebirge oder aus Thermalwässern im Oberrheingraben gearbeitet. Eine weitere, weltweit verfügbare Quelle nehmen nun Forschende vom INM Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken in ihren Fokus. Mit einem neuen Verfahren wollen sie aus Meerwasser Lithium effizient mit einem geringen Energieaufwand extrahieren.

Die Arbeitsgruppe um Volker Presser konzipierte dazu ein neuartiges Extraktionsverfahren, das auf bereits entwickelten Redox-Flow-Flüssigbatterien aufbaut. Fließen in diesen Stromspeichern bisher flüssige Elektrolyten durch zwei mit Kanälen verbundene Kammern, um über Oxidations- und Reduktionsprozesse geladen und entladen zu werden, ergänzten Presser und Kollegen zwei weitere Kammern. Meerwasser mit Lithium-Ionen wird dabei durch spezielle keramische Membranen gepumpt. Dank des filigranen Aufbaus durchdringen Lithium-Ionen diese sogenannten LISICON-Membranen, größere Natrium- oder Kalium-Ionen werden dagegen blockiert. So lässt sich in einem permanenten Kreislauf die Konzentration an Lithium-Ionen in einer Kammer nach und nach erhöhen. Aus dieser konzentrierten Lösung könnten danach die benötigten Lithiumsalze extrahiert werden.

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"Man kann sich unser Verfahren wie einen im Kreis fahrenden Bus vorstellen. Lithium-Ionen, etwa aus Meerwasser, werden durch die Reduktion einer Rotkali-Lösung in der einen Kammer aufgenommen und bei der Oxidation in einer anderen Kammer wieder abgegeben", sagt Presser. Erste Versuche mit einer kleinen Pilotanlage im Labor zeigten, dass sich Lithium-Ionen aus Meerwasser sehr effizient anreichern lassen. Die Forschenden beziffern den Energiebedarf auf lediglich 2,5 Wattstunden pro Gramm Lithium. Rechnerisch könnte eine Anlage mit einem Quadratmeter Membranfläche gut 18 Kilogramm Lithiumkarbonat innerhalb eines Jahres gewinnen. Vor einer wirtschaftlichen Nutzung müssten die Anlagen allerdings noch weiter optimiert und deutlich vergrößert werden.

Dieser ungewöhnliche Ansatz zur Lithium-Gewinnung steckt heute noch in einer frühen Entwicklungsphase. Doch da Meerwasser rund um den Globus in ausreichenden Mengen verfügbar ist, könnten sich weitere Arbeiten an diesem System lohnen. Trotz der geringen Lithium-Konzentration summiert sich die Lithiummenge in allen Meeren auf stolze 230 Milliarden Tonnen. So lockt eine dezentrale Lithium-Quelle mit kurzen Wegen zu den Batteriefabriken und einer geringen Abhängigkeit von wenigen Förderländern.

Neben Meerwasser sieht INM-Forscherin Stefanie Arnold noch weitere Vorteile: "Das Verfahren eignet sich für natürliches Wasser, beispielsweise aus den Ozeanen oder aus Hydrothermalquellen. Wir können es aber auch für Grubenwasser oder für die Extraktion von Lithium-Ionen beim hydrometallurgischen Recyclen von gebrauchten Batterien nutzen."

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(Bild: zhangyang13576997233 / Shutterstock.com)

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