Suzuki Motorrad in Europa: Schatten ihrer selbst

Seite 2: Suzuki war ein Trendsetter

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Dabei hat Suzuki jahrzehntelang Meilensteine des Motorradbaus hervorgebracht, um ihre Innovationskraft zu beweisen und sie in klingende Münze umzusetzen. 1984 veränderte die Marke mit der GSX-R 750 die Sportmotorradwelt für immer: Der vollverkleidete Sportler sah aus, als käme er direkt aus der Racing-Abteilung, hatte einen Aluminiumrahmen, Stummellenker, holte aus seinem 750 cm3 großen Reihenvierzylinder 100 PS und wog nur rund 200 Kilogramm. Die Sportfahrer rissen die GSX-R 750 den Händlern aus den Schaufenstern. Alle anderen japanischen Hersteller kopierten das Konzept des Trendsetters umgehend. Der fast gleichzeitig erschienene Zweitakt-Racer Suzuki RG 500 Gamma mit quadratisch angeordnetem Vierzylindermotor war ein lupenreiner Ableger der GP-Maschine.

1987 präsentierte Suzuki mit der DR Big 750 S den größten Einzylinder der Welt und bohrte ihn drei Jahre später sogar auf 779 cm3 Hubraum in der DR Big 800 S auf. Sie war außerdem das erste Motorrad mit "Entenschnabel", wie er bis heute viele Reiseenduros ziert. Als Megaseller erwies sich die Bandit-Modellreihe. Die Verkaufszahlen der GSF 600 Bandit und GSF 1200 Bandit gingen ab 1995 durch die Decke und die 600er war 1997 das meistverkaufte Motorrad in Deutschland. Weitere Kassenschlager hatte Suzuki in den 1990er Jahren mit der kleinen Enduro DR 350 und später mit der DR-Z 400 im Programm, die größere Schwester DR 650 SE wird seit 1996 unverändert gebaut und verkauft sich auf dem amerikanischen Markt immer noch gut. Die Hayabusa elektrisierte 1999 die Speedfreaks als erstes Motorrad, das die 300-km/h-Grenze knackte.

Warum entwickelt Suzuki keine innovativen Modelle mehr? Ein Blick in die Bilanzen der Suzuki Motor Corporation gibt Aufschluss. Von 2014 bis 2017 ging der weltweite Motorradverkauf bei Suzuki von über zwei Millionen auf 1,37 Millionen Einheiten zurück, doch die beiden folgenden Jahre stieg er wieder an. Ihr letztes Geschäftsjahr endete am 31. März 2021 und das Hauptquartier in Hamamatsu vermeldete rund 1,5 Millionen verkaufte Krafträder. Das ergab zwar ein Minus von etwa 170.000 Stück gegenüber dem Vorjahr, was aber hauptsächlich der COVID-19-Pandemie geschuldet war.

Suzuki Motorrad ignoriert Europa (9 Bilder)

Erst 2018 kam Suzuki auf die Idee, mit der SV 650 X einen Café Racer mit kleiner Cockpitverkleidung und Stummellenker zu bauen – da war der Retro-Trend aber schon vorbei.

1,2 Millionen Stück davon verkaufte Suzuki in Asien, vor allem Roller und Motorräder mit kleinen Hubräumen. Aber auch unter den rund 300.000 Krafträdern, die auf den anderen Kontinenten abgesetzt wurden, waren nur verhältnismäßig wenige mit großen Hubräumen, wie sie Europäer und Nordamerikaner bevorzugen. In den ersten neun Monaten 2021 erholte sich Suzuki wieder und setzte weltweit fast 26 Prozent mehr motorisierte Zweiräder ab. Allein in Japan verkaufte Suzuki letztes Jahr 70.853 Krafträder. Dieses Jahr konnte die Firma bis September von allen vier japanischen Marken mit 30 Prozent sogar das höchste Wachstum auf dem Heimatmarkt vorweisen, deshalb waren in der Bilanz die 22 Prozent Rückgang in Europa noch zu verkraften. Aus Sicht der Buchhaltung läuft es bei Suzuki Motorrad also gar nicht so schlecht.

Suzuki gehört bekanntlich zu den wenigen Marken, die sowohl Motorräder als auch Autos produzieren. 2020 erzielte Suzukis Autosparte rund 22,5 Milliarden Euro Umsatz, die Motorradabteilung hingegen "nur" 1,6 Milliarden Euro. Logischerweise konzentriert sich die Firma deshalb in der Entwicklung vor allem auf die Pkw-Branche, zumal es auch dort nicht wirklich rund läuft. Für die Geschäftsführung ergibt das Sinn, tröstet die Motorradfans in Europa aber nicht. Sie möchten mit neuen, attraktiven Modellen bedacht werden, wie sie es von Suzuki früher gewohnt waren. Doch weil das schon seit Jahren nicht mehr der Fall ist, wandern sie in Scharen ab. Ob Suzuki sich in absehbarer Zeit eines besseren besinnt und wieder innovative Motorradmodelle für den westlichen Markt baut, bleibt fraglich. So lange wird Suzukis Absatzkurve in Deutschland weiterhin nach unten weisen.

(fpi)