Edit Policy: EuGH könnte Uploadfilter kippen und Berlin blamieren

Seite 2: CDU bekämpft ihre eigenen Vorschläge

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Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (beide CDU) fordern in internen Schreiben das Justizministerium dazu auf, die Ausnahme für kurze Ausschnitte zu streichen. Damit wenden sie sich nicht nur diametral gegen die offizielle Position ihrer Partei, sie beschleunigen auch die politische Desillusionierung einer ganzen Generation.

Das Vertrauen in Wahlversprechen ist ohnehin schon gering, was viel damit zu tun hat, dass Parteien in Regierungskoalitionen Kompromisse eingehen müssen. Davon kann in diesem Fall aber nicht die Rede sein – die SPD hat einen Vorschlag der CDU aufgegriffen, wenn auch mit erheblichen Abstrichen, und nun ist es die CDU, die sich gegen die Umsetzung ihrer eigenen Versprechen sträubt. Das lässt nur den Schluss zu, dass die Positionierung der CDU gegen Uploadfilter ein gezieltes Täuschungsmanöver war, um eine krachende Niederlage bei der Europawahl 2019 abzuwenden. Besonders erfolgreich war dieses Manöver bekanntlich nicht.

In ihrem Schreiben an das Justizministerium fordert Kulturstaatsministerin Grütters die "ersatzlose Streichung von §6 UrhDaG-E (sog. Bagatellschranke)". Die pauschale Legalisierung und Vergütung kurzer Ausschnitte aus geschützten Werken sei "europarechtswidrig". Das Gegenteil ist der Fall: Die Einführung einer pauschalen Erlaubnis ist nicht nur europarechtlich zulässig, sie könnte sogar der einzige Weg sein, Artikel 17 mit den Grundrechten in Einklang zu bringen.

In dieser Woche beschäftigt sich nämlich der Europäische Gerichtshof mit der Frage, ob Artikel 17 überhaupt mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Am Dienstag, dem 10. November, findet eine öffentliche Anhörung zur Klage der Regierung Polens statt, die eine Pflicht zum Einsatz von Uploadfiltern befürchtet und darin eine Verletzung der Grundrechte auf Meinungs- und Informationsfreiheit sieht. Auch wenn die Klage Polens mehrere wesentliche Grundrechte gar nicht thematisiert (auch die unternehmerische Freiheit, die Kunstfreiheit und die Datenschutzrechte sind durch Artikel 17 bedroht), hat die Klage durchaus Aussicht auf Erfolg. In der Vergangenheit hat der Europäische Gerichtshof den verpflichtenden Einsatz von Uploadfiltern nämlich fast immer abgelehnt.

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Im Netlog-Urteil aus dem Jahr 2012 etwa hat der Europäische Gerichtshof eine gerichtliche Anordnung für grundrechtswidrig erklärt, die das damalige soziale Netzwerk Netlog zur Einrichtung von Uploadfiltern gezwungen hätte, um die Urheberrechtsansprüche der belgischen Verwertungsgesellschaft SABAM durchzusetzen. Einzig im Fall Glawischnig-Piesczek aus dem Jahre 2019 hat das Gericht eine Verpflichtung von Facebook zur Filterung von besonders schwerwiegenden Beleidigungen gegen eine österreichische Politikerin unter sehr engen Voraussetzungen für zulässig erklärt.

Diese Voraussetzungen liegen aber bei Artikel 17 offensichtlich nicht vor, selbst wenn der Gerichtshof die Regeln für den Umgang mit Beleidigungen auch auf Fragen des Urheberrechts anwenden sollte: Ein Gericht muss zunächst festgestellt haben, dass ein bestimmtes Posting auf einem sozialen Netzwerk rechtswidrig ist. Artikel 17 verlangt hingegen, dass Plattformen allein auf der Grundlage von Informationen sperren, die Rechteinhaber:innen ihnen über ihre geschützten Werke übermittelt haben. Von einer gerichtlichen Bestätigung der Rechtswidrigkeit einer bestimmten Nutzung ist nicht die Rede.