Kommentar zum Abschied des BMW i3: Jeder hat mal groß angefangen

Der technisch brillante BMW i3 bewies an der Schwelle zur Massen-E-Mobilität, was nur wenige nicht wussten: Der große Aufriss um ein kleines Auto lohnt nicht.

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BMW i3

(Bild: BMW)

Lesezeit: 9 Min.
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Der i3 war effizient, er war auch nachhaltiger als alles, was BMW bis dahin gebaut hat. Andererseits bestätigte er auf den Punkt die Befürchtungen der Konservativen im Management, dass man damit den Aufwand viel zu weit treiben würde. BMW machte alles anders und verdiente dadurch mit diesem Auto über die gesamte Produktionszeit nicht wirklich Geld. Der Technologieträger und die investierten Milliarden erteilten immerhin ein paar Lektionen. Die wohl ironischste Konsequenz: Sein Nachfolger Mini Electric ist alles, was der i3 vermeiden wollte. Er ist ein konventionelles Auto, umgebaut auf Elektroantrieb.

Langsam, aber immerhin stetig lief der Verkauf nach der Vorstellung 2013 hoch, viele i3 landeten zur Promotion im Carsharing und selbst größere Batterien (2016 und 2018) änderten zunächst wenig. Erst mit der sogenannten Innovationsprämie brachte er eine unerwartet prächtige Spätblüte hervor: 2020 strich BMW die Sommerpause, um der Nachfrage Herr werden zu können. Trotz des Erfolgs lief Ende Juni 2022 der letzte BMW i3 vom Band, einer von rund 250.000 Stück in 74 Ländern. Seine Zeit war abgelaufen, BMW hat sich längst für eine andere technische Basis entschieden, braucht dafür die Werkskapazität in Leipzig. Gerade, als sie das erste Mal profitabel wird, kann sich BMW die produktionstechnische Sonderlocke i3 nicht mehr leisten – die nächste Ironie der Geschichte.

Das letztendliche Scheitern des Konzepts, wenn man es denn so nennen mag, war gewissermaßen eine Self-Fulfilling Prophecy: Megacity-Konzepte sind bis heute nicht ohne Grund Visionen geblieben – dazu leben noch nicht genügend Menschen in solchen Ballungsräumen. "Urban" trifft es besser, doch war es für die Zielgruppe zu spitz, überforderte die Kunden, denen man jahrzehntelang immer breitere Reifen, immer schmalere Schlitzfenster und immer dynamischer auf der Straße stehende Formen geradezu anerzogen hatte, mit allzuviel Vernunft. Oder – noch ärger – allzuwenig Status.

BMW i3 (10 Bilder)

Mit dem i3 wagte BMW nicht nur technisch Neues, sondern schuf eine Form, die sich für die Stadt eignet.

Die Konkurrenz hätte ihnen das aus Ingolstadt rüberrufen können. Audi hatte einen vergleichbaren Versuch ja bereits um die Jahrtausendwende mit einem nachhaltig angelegten "Drei-Liter-Auto" durchexerziert: Mit dem A2 verkaufte Audi erstmals ein kompaktes Effizienz-Auto mit gehobener Ausstattung und leichter Karosserie. Ihre Kastenbrotform und der Hundeblick spaltete die Autobegeisterten in jene, die sich damit nicht auf die Straße getraut hätten (fast alle) und solche, die heute noch trauern, dass es so ein Auto nicht mehr gibt (wenige Enthusiasten). Technisch brillant – wirtschaftlich gescheitert. Bitter für Audi: Anerkennung fand der A2 erst, als die Produktion beendet war.

Von "Drei-Liter-Autos" spricht längst kein Mensch mehr. Mit dem i3 machte BMW im Prinzip das Gleiche wie Audi, nur eben mit der 2013 nach 100 Jahren nicht mehr zu verdrängenden Erkenntnis, dass wirkliche Effizienz nur mit Elektromotoren zu haben ist. Erfolge bei Tesla Motors und der wachsende Druck bei den Flottenverbrauchsvorgaben trugen dazu bei. Kein Wunder, dass die Zeit den i3 zu seinem Erscheinen "politisches Auto" nannte. Das war er vor allem im eigenen Konzern.

Das Vertrauen in die Batteriekapazität war damals mangels Gewöhnung noch weniger ausgeprägt, Ladesäulen rar. Häufig grassierte Entfernungspanik statt Reichweitenangst. Mit 160 Kilometern im komfortablen NEFZ bot der erste i3 mit 22 kWh immerhin in etwa so viel Reichweite wie das um 1910 meistverkaufte Elektroauto Detroit Electric. Gegen die Sorge, stehenzubleiben, reichte BMW gegen Aufgeld einen 650er-Parallel-Twin aus seinem Motorradprogramm, der unterwegs die Batterie nachladen konnte.

Auch wenn das Ding eine Zumutung war: Am Erfolg dieses Range Extenders konnte man ablesen, dass die i3-Käufer entweder ganz oder gar nicht elektrisch fahren wollen. 2018 flog der "REX" zugunsten einer 42,2-kWh-Batterie für 307 km Reichweite laut WLTP aus dem Angebot. Zugegeben, Range Extender sind ein extremes Konzept, aber auch einige Hybridautos verdanken wir vor allem einer geschickt lobbyierenden Autoindustrie, die dank staatlicher Förderung gern noch ein paar Jahre länger als nötig Verbrenner verkauft.

Trotz aller Bedenken hatte man bei BMW 2008 das "project i" ins Leben gerufen, um herauszufinden, ob BMW auch nachhaltig, urban und elektrisch kann und – wenn ja – wie. Herbert Diess und Christian Senger durften dabei ihre Vorstellungen, fast möchte man sagen: Visionen einer modernen E-Mobilität durchziehen – frei von Denkverboten und mit einem Budget, das BMW mal eben komplett aus der Formel 1 abgezogen hatte.