Kommentar zum Abschied des BMW i3: Jeder hat mal groß angefangen

Seite 2: Investitionen in eine neue Materialwelt

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2013 bot die Submarke BMW i dann erstmals die 2011 vorgestellten Studien Megacity Vehicle (MCV) und als BMW Vision Efficient Dynamics als BMW i3 und BMW i8 an. Der i8 war ein Hybridmodell – wenn auch ein recht gewagtes. Ganze Kohlefaserfabriken und CO₂-neutrale Wasserkraftwerke musste BMW kaufen und neu aufbauen, um die Hauptkarosseriestruktur, das sogenannte "Life-Modul" und viele der außergewöhnlich aufgebauten Einzelteile fertigen zu können. SGL Carbon hieß die Kohlefasersparte, bei der sich BMW großzügig einkaufte. Ziel war dabei immer, den hohen Energieeinsatz für die Produktion (Aluminium, CFK) regenerativ zu erzeugen.

BMW wollte ersichtlich zeigen, wie viel Potenzial man heben kann, indem man das Auto als komplett eigenständiges Elektrofahrzeug plant und konstruiert. Die meisten Großserien-Elektroautos dieser Zeit waren von fossil auf elektrisch umgerüstet, man denke an die VW-Modelle e-Up und e-Golf, mit allen damit einhergehenden Kompromissen.

Der i3 bot auf vier Metern Platz für vier Erwachsene, exzellenten Einstiegskomfort dank Portaltüren und hoher Sitzposition und eine gute Übersicht, letztere beide explizit fürs urbane Geläuf. Der Rest wurde dann mit noch exotischeren Materialien, exklusiverer Innenarchitektur und wiederverwerteten und nachwachsenden Rohstoffen (Schilf!) dennoch nur eine ziemlich konsequente Wiederholung dessen, was Audi bereits vorgemacht hatte.

BMW i3 Technik (15 Bilder)

Alurahmen, Kohlefaser-Karosserie - BMW hat in Sachen teurer Produktion nichts ausgelassen.

Markentypisch hoch war die Dynamik. Kollege Christoph M. Schwarzer attestierte dem Auto 2018 eine "harmonische Fahrwerksabstimmung", nannten den getesteten BMW i3s gar "Agilitätswunder mit ganzheitlichem Ansatz". Als E-Auto konstruiert hat der i3 vernünftigerweise den Antrieb hinten, mithin eine Lenkung frei von Einfluss oder Überdämpfung. Man fühlt es jederzeit beim Fahren.

Das One-Box-Design, das er mit dem fast gleichzeitig herausgebrachten Renault Twingo III alias smart ED oder dem bereits 1999 erschienenen Audi A2 teilt, ist natürlich kein Zufall. Bei allen dreien ging es um die bestmögliche Vereinigung von Raumnutzung, Übersichtlichkeit und Aerodynamik. Dem i3 garantiert sein Erscheinungsbild einen hohen Wiedererkennungswert, ein Schicksal, das er mit dem Hocheffizienzauto Audi A2 teilt. Aerodynamisch ist die Form offenbar gelungen, denn 15,3 kWh auf 100 Kilometer nach WLTP sind auch nach heutigen Maßstäben wenig. Leider aber nicht wenig genug.

Das Publikum tut sich schwer mit solchen Formaten, auch die hohen, schmalen Räder sind zwar grundvernünftig, nicht aber Massengeschmack. Den treffen BMW iX1 und Mini Electric heute deutlich besser. Als Nachfolger des i3 muss man den Mini Electric betrachten, ausgerechnet wieder ein nachträglich elektrifiziertes konventionelles Auto. Er hat nicht nur den Antrieb des i3 geerbt, mit 1365 kg bleibt er trotz Stahlkarosse verblüffend leicht. Der größte Kompromiss fällt im Alltag auf – das Modell ist ein völlig unzeitgemäßer, unpraktischer, enger Zweitürer – wenn auch einer, der beim Fahren fast mehr Spaß bereitet als der i3. Ironischerweise trotz Frontantrieb.

Ein ausgesprochenes Stadtauto ist der Mini trotz seines Namens nicht mehr, aber immerhin bleibt es kurz. Er kommt nicht an die Effizienz des i3 heran – erst recht nicht an die einst angedachte Materialnachhaltigkeit des Serien-Prototypen. BMW kann, nein, muss das egal sein, solange die Marge stimmt. Dem Kunden ist es ohnehin nicht so wichtig.

Freilich bleibt der Mini Electric ein Übergangsmodell, von BMW kommt demnächst eine große Palette von 25 Elektroauto-Modellen mit verlässlicher Profitabilität. Der langfristig kostendeckende Automobilbau bleibt eben immer auch die Kunst des Möglichen. Leuchtturmkonzepte wie der BMW i3, die es tatsächlich einmal in die Produktion schaffen, bleiben faszinierende Ausnahmen.

Ich traue mich wetten, dass er dank seines Leichtbaus nicht nur Effizienzmaßstäbe gesetzt hat: Für seine Besitzer dürfte er auch dank seines Materialmixes langfristig nachhaltiger sein als jedes 08/15-Elektroauto und unter diesem Geschichtspunkt noch lange aktuell bleiben. Dazu braucht man gar kein Enthusiast zu ein. Wegrosten wie die üblichen kostenoptimierten Blechdosen kann er schon mal nicht und wegen der Neuartigkeit vieler Details dürfte fast alles etwas haltbarer dimensioniert sein als in Autos mit herkömmlicher Technik – war der i3 doch viel eher Großserienprototyp als Massenauto. Erste Langzeiterfahrungen deuten jedenfalls an: Wer einen i3 besitzt, sollte ihn gut bewahren.

(fpi)