Molekülgenau auflösende 3D-Darstellung bringt neue Art von Synapsen ans Licht

Die räumliche Darstellungstechnik SUM-PAINT vermag selbst unter Verwendung handelsüblicher Mikroskope zu ungeahnten Entdeckungen zu führen.

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Neuronen als komplexe Proteingebilde

Die Detailbilder aus einem neuronalen 3D-Atlas mit 30 Proteinarten zeigen, welch extrem hoch aufgelöste Darstellung das neu entwickelte SUM-PAINT-Verfahren erschließt.

(Bild: Eduard Unterauer et al., Cell March 2024, CC BY 4.0)

Lesezeit: 3 Min.

Ein neu entwickeltes Bildgebungsverfahren hat zu einer überraschenden Entdeckung in der Welt der mikroskopischen Anatomie geführt. Beteiligt war ein Forscherteam um Ralf Jungmann am Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) zusammen mit Eugenio F. Fornasiero und Felipe Opazo, die an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) als Arbeitsgruppenleiter arbeiten, und dem Helmholtz-Zentrum München. Die räumliche Hochdurchsatz-Bildgebungsmethode namens SUM-PAINT hat es ihnen ermöglicht, einen neuronalen Zellatlas mit Einzelmolekülauflösung zu erarbeiten. Dabei stießen sie auf einen bis dato unbekannten Typ von Synapsen. Ihre Ergebnisse legten die Forscher in einer Studie nieder, die Eduard Unterauer in Jungmanns Labor leitete. Sie erschien in Ausgabe 187/7 der Fachzeitschrift "Cell" (Artikel als Open-Access-PDF verfügbar). Das darin beschriebene Verfahren SUM-PAINT umfasst einen Workflow für die Datenerzeugung und -analyse, den Forscher auf der ganzen Welt einsetzen können. Es lässt sich, wie es in der Studie heißt, auf relativ einfache Weise mit handelsüblichen Mikroskopen einsetzen, benötigt also keine Spezialhardware.

Jungmann ist davon überzeugt, dass SUM-PAINT nicht nur ein Meilenstein auf dem Weg zur Entschlüsselung der Komplexität der Zellbiologie auf molekularer Ebene ist. Die Methode habe auch das Zeug, einen Durchbruch bei der Entdeckung neuer therapeutischer Ansätze neurodegenerativer Krankheiten zu ermöglichen. Sie biete Gelegenheit, bislang verborgene Details neurologischer Störungen zu untersuchen, und könne so zu einem tieferen Verständnis zugrundeliegender Mechanismen von Krankheiten wie Parkinson oder der Alzheimer-Demenz beitragen.

SUM-PAINT ermögliche es erstmals, eine Vielzahl von Proteinen gleichzeitig blitzschnell molekülgenau darzustellen und zu kartieren. Wie Unterauer erklärt, müsse man Ort, Identität und Interaktion einzelner Biomoleküle gleichzeitig untersuchen, um die Komplexität lebender Systeme bis auf die kleinste Ebene verstehen zu können. Es gelte dabei, vielerlei kritische Herausforderungen zu meistern: Außer der Fähigkeit, mehrere Signale zu bündeln, betreffe das die Kriterien Empfindlichkeit, Durchsatz und räumliche Auflösung. Das Team hat das komplexe Umfeld neuronaler Zellen des menschlichen Gehirns in den Blick genommen und erstmals einen neuronalen Atlas mit Einzelmolekülauflösung für 30 verschiedene Proteinarten erarbeitet. Dabei gelang es ihm, die Komplexität der synaptischen Proteinzusammensetzung von fast 900 einzelnen Synapsen zu entschlüsseln. Dabei fielen große Mengen von Daten an – die wiederum ließen sich praktisch nur mithilfe einer eigens entwickelten, durch maschinelles Lernen gestützten Analysepipeline sinnvoll im Detail untersuchen. Die Auswertung erfasste 1600 Merkmale aus den Bildgebungsdatensätzen. Zu den Merkmalen gehörten Proteingehalt, Verteilung und Form. Den bis dato unbekannten Synapsentyp entdeckten die Forscher im Zuge dieser Analyse. Er macht nur etwa ein Prozent aller Synapsen im menschlichen Gehirn aus. Mit anderen bildgebenden Verfahren wäre er nicht entdeckt worden.

Die auf Open-Access-Grundlage offengelegte Studie erlaubt es nun Interessierten in aller Welt, eine hochdetaillierte Bildgebung für ihre eigenen Zwecke auf Grundlage der beschriebenen Methode umzusetzen.

(psz)