Prime Air: Amazons Drohnen liefern nicht, andere schon

100-mal hat Amazon per Drohne zugestellt. Bei Walmart sind's über 100.000, bei Alphabet und Zipline noch mehr. Die Luftfahrtbehörde FAA will allgemeine Regeln.​

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Ein Quadkopter auf einem Messestand

Das Symbolbild zeigt einen auf einem Messestand ausgestellten Quadkopter.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

"Wir hatten nie einen Sicherheitsvorfall bei einem Zustellflug zu einem echten Kunden" betont Amazon.com. Was bei gerade einmal 100 (einhundert) solcher Drohnenflüge wenig aussagt. Die Konkurrenz ist schon ein Stück weiter: Walmart-Dienstleister Droneup gibt 110.000 Zustellungen mittels Flugdrohne in den USA an. Die Alphabet-Tochter Wing spricht von 330.000, und Zipline sogar von 600.000, davon jedoch jeweils ein Gutteil in Australien respektive Afrika.

Nun könnte Bewegung in den US-Markt für Lieferdrohnen kommen: Die Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Authority) strebt nach einheitlichen Regeln für Flüge von Drohnen über Menschen, außerhalb Sichtweite und in weniger als 400 Fuß Höhe über Boden (rund 122 m). Bisher hat die Behörde Ausnahmegenehmigungen für einzelne Anbieter erteilt: Wing und UPS dürfen seit 2019 fliegen, Amazon seit 2020 und Zipline seit dem Vorjahr. Dieses Jahr hat Causey Aviation Unmanned die Erlaubnis erhalten und nutzt sie mit seinem Partner Flytrex. Dieses Unternehmen fliegt bereits seit 2017 in der isländischen Hauptstadt Reykjavik.

Amazon hätte gerne mehr Freiheiten, weil es weder über aktiv genutzte Straßen noch über Menschen fliegen darf. Im November 2021 ersuchte Amazon unter Verweis auf ein neueres, sichereres Drohnenmodell namens MK27-2 um die Lockerung dieser Einschränkungen. Doch die FAA war nicht überzeugt: Das Fluggerät sei noch nicht zertifiziert und Amazon habe keine Nachweise für die behauptete Sicherheitsverbesserung geliefert. Amazons Lieferdrohnen kommen weiterhin nicht vom Fleck. Inzwischen arbeitet der Konzern an einem neuen Modell MK30, das 2024 in "ausgedehnteren" Betrieb gehen soll: leiser, leichter, kleiner, mit größerer Reichweite und höherer Beständigkeit in Hitze und Regen.

Die Behörde möchte zuvorderst Zusammenstöße verhindern, seien es Kollisionen in der Luft mit anderen Luftfahrzeugen oder Aufprall auf Menschen oder Fahrzeuge auf dem Boden. Zipline hat in seine Drohnen Mikrofone eingebaut, die andere Luftfahrzeuge erkennen, womit die Zipline-Drohne ausweichen kann. Dieses System sagt der FAA zu, weshalb Zipline die großzügigste Ausnahmegenehmigung hat und im Umkreis von gut 100 Kilometern um einen bestimmten Walmart-Standort zustellen darf. Das Unternehmen setzte zunächst nur auf Starrflügeldrohnen, die die Fracht mit einem kleinen Fallschirm abwirft, hat jetzt aber auch Multikopterdrohnen mit Abseilvorrichtung im Angebot.

UPS-Partner Matternet hat nach vier Jahren Verfahrensdauer sogar eine Typenzertifizierung geschafft. Deren M2-Drohne darf seit September Fracht auch befördern und zustellen, wenn unten am Boden Menschen unterwegs sind, ohne einzelne Ausnahmegenehmigungen erwirken zu müssen.

Schon 2016 hat Amazon die FAA nicht überzeugen können:

Doch die Anträge auf Ausnahmegenehmigungen nehmen zu, nicht ab. Am Donnerstag hat die FAA neue Anträge von UPS, Zipline, uAvionix und Phoenix Air Unmanned veröffentlicht, zu denen jetzt jedermann binnen 20 Tagen Stellung nehmen kann. Solch Stückwerk ist für einen in Entstehung befindlichen Markt mit überschaubarer Anzahl an Teilnehmern und ausgewählten Liefergebieten machbar, skaliert auf Dauer aber nicht.

Daher möchte die FAA statt immer mehr Ausnahmegenehmigungen von den strikten Verboten lieber generelle Erlaubnisregeln definieren. "Die FAA zieht die Ausweitung von BVLOS (Flüge außerhalb Sichtweite, Anmerkung) unter bestimmten Betriebsbedingungen mit angemessenen Sicherheitsmaßnahmen (…) in Betracht", teilt die Behörde mit. Daher ruft sie jetzt technisch einschlägig Bewanderte dazu auf, sich zu bestimmten Konzepten und möglichen Lösungsansätze zu äußern.

Die Behörde hat festgestellt, dass es mindestens vier verschiedene Branchenspezifikationen für Detect-and-Avoid-Systeme (DAA) gibt, also technische Verfahren zur Vermeidung von Zusammenstößen von Luftfahrzeugen in der Luft. Doch keine erfülle alle Voraussetzungen für den Einsatz unterhalb von 400 Fuß über Boden. Sollen mehrere Verfahren kombiniert werden, möchte die FAA wissen, beziehungsweise unter welchen Bedingungen reichte keine Kombination hin?

Die FAA möchte es den Drohnenbetreiber selbst überlassen, zu bestätigen, dass ihre Systeme die DAA-Spezifikationen erfüllen. Aber vielleicht ist das nicht immer schlau? Wann sind Mindestabstandsregeln zu streng oder zu locker?

Es gibt unabhängige Diensteanbieter, die Flugdrohnenbetreiber dabei unterstützen, Kollisionen zu vermeiden. Wie sollen diese Dritten reguliert werden? Welches Kollisionsrisiko ist noch hinnehmbar? Wie sollen unbemannte Luftfahrzeuge miteinander kommunizieren? Und unter welchen Bestimmungen soll es exklusive Zonen geben, in denen ein bestimmter Drohnenbetreiber stets Vorrang hat?

Jetzt soll es flott gehen. Stellungnahmen zu diesen Fragen nimmt die FAA 20 Tage lang entgegen. Noch im Sommer möchte sie dann neuen Regeln festlegen.

(ds)