Workshop: Licht im Fokus

Seite 4: Was ist weiß?

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Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, einen perfekten Weißabgleich durchzuführen. Die eine besteht in einer Lichtmessung. Dazu bringt man einen Farbtemperaturmesser (z. B. Colormaster 3F von Gossen) im Bereich des Motivs an und richtet ihn zur Kamera aus. Über einen Diffusor wird das aus Aufnahmerichtung in einem breiten Winkel einfallende Licht summiert und als „Weiß“ betrachtet. Dabei werden die vorherrschenden Anteile an Rot, Grün und Blau ermittelt und ein Kompensationswert bestimmt oder die effektive Farbtemperatur angezeigt, die man an der Kamera einstellen muss.

Die andere, wesentlich einfachere und billigere Methode besteht darin, mit der Kamera ein weißes oder neutralgraues Objekt in Aufnahmerichtung anzumessen, auf das ebenfalls das Umgebungslicht aus einem breiten Winkel einfällt und von diesem reflektiert wird. Bei manchen Kameras kann man nachträglich in einer Aufnahme im Rohdatenformat (RAW), die ein weißes oder neutral graues Objekt (weißes Hemd, Hauswand, Straßenasphalt) enthält, am Computer in einem Bildbearbeitungsprogramm mit einer Pipette auf das Objekt zeigen und es als „Weiß“ beziehungsweise „Neutralgrau“ definieren – sozusagen ein messtechnischer Weißabgleich im Nachhinein (siehe auch Artikel „Fotografieren bei Kerzenlicht“). Dabei lässt sich die Kamera beschwindeln: Weißabgleich auf ein leicht bläuliches oder blaugraues Objekt verschiebt alle Farben in Richtung Gelb-Orange und umgekehrt. Auch mit dieser Methode kann man einen Überschuss oder Mangel an Grün ausgleichen, der eigentlich keiner „Farbtemperatur“ zugeordnet werden kann.

Mein Rat: Kaufen Sie keine Kamera, die „alles automatisch“ regelt. So werden beispielsweise Objekte vor einem durchgehend blauen Hintergrund zwangsläufig knallorange – weil die Kamera diesen offenbar für eine „Graumesskarte“ hält und nach Neutralgrau verschiebt –, eine nachträgliche Farbkorrektur ist unter Umständen vergebens.

Neben dem automatischen Weißabgleich sollte eine Digitalkamera mindestens eine Voreinstellung auf gebräuchliche Lichtarten wie Kunstlicht, Tageslicht et cetera erlauben, die bei manchen Modellen wieder als Ausgang für eine moderate Anpassung dient, also keine absolut starre Vorgabe bildet. Noch besser ist es, wenn sich zusätzlich ein messtechnischer Weißabgleich (siehe oben) machen lässt.

Am besten, aber nur für professionelle Anwendungen erforderlich, ist eine Einstellung nach Farbtemperatur in Kelvin und/oder Aufnahmen im RAW-Format (gehobene Modelle von Nikon, Canon, Olympus, Minolta, Fujii und andere) mit nachträglicher Einstellung des Weißabgleichs und anderen Belichtungskorrekturen (Über- und Unterbelichtung, Kontrast, Farbsättigung, Bildverschärfung).

Einige fotografische Lehrmeinungen taugen nicht viel, wie zum Beispiel die, man solle stets mit der Sonne im Rücken fotografieren und bei Regenwetter gar nicht. In Wahrheit ist jedes Wetter Fotowetter, nur muss man bei bestimmten Gegebenheiten „anders“ fotografieren – respektive belichten. Es gibt „schwieriges“ und „einfaches“ Licht. Außerdem wirken manche Motive in einem bestimmten Licht einfach interessanter.

Bei Nebel kein Fotowetter – weit gefehlt (Canon EOS 300D, ISO 100, 1/250 s, Blende 5,6, Kontrast hoch: +1, Tonwertumfang gespreizt)

In gewissen Fotosituationen lohnt es sich, besondere Einstellungen vorzunehmen – entweder per Motivprogramm oder manuell. Bei Nebel oder bei bedecktem Himmel, sowie in anderen besonders kontrastarmen Situationen stellt man den Kontrast höher. Bei sehr harter Beleuchtung (direktes Sonnenlicht mit dunklen Schatten), Gegenlicht, Sonnenreflexe auf Wasser dagegen sollte man den Kontrast verringern.

Für Schneelandschaften gilt die Empfehlung, um etwa 2/3 Blendenstufen überzubelichten, damit der Schnee nicht grau wirkt. Erforderlich ist eine solche Korrektur bei automatischer Belichtung nur, wenn das Weiß des Schnees im Bild flächenmäßig stark dominiert und sich keine oder nur geringe dunkle Flächenanteile vorfinden. Da sich das Ergebnis auf dem LCD der Kamera lediglich mangelhaft beurteilen lässt, sollte man, wenn möglich, immer eine Kontrolle mit dem Histogramm vornehmen und die Aufnahme gegebenenfalls mit korrigierten Parametern wiederholen.