MIT Technology Review 5/2023
S. 80
Report
Neue Medikamente
Bakteriophagen sind von einfacher Gestalt, ihre chemischen Strukturen sind aber hochkomplex.
Bakteriophagen sind von einfacher Gestalt, ihre chemischen Strukturen sind aber hochkomplex.
Foto: Science Photo Library / Lee D. Simon

Die Bakterienkiller

Phagen sind Viren, die Bakterien töten. Sie gelten als Wunderwaffe gegen antibiotikaresistente Keime. In manchen Ländern werden sie schon seit rund 100 Jahren genutzt. Auch hierzulande könnten sie bald helfen.

Andrea Hoferichter

Ein Besuch am Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig: Im sonnendurchfluteten Treppenhaus kommt mir Christine Rohde schon entgegen. Die sonst eher zurückhaltend wirkende Forscherin – dezente Brille, freundliches Lächeln – ist auffallend gut aufgelegt. „Ich habe gute Nachrichten, wissenschaftlich und auch zur Regulierung“, sagt sie zur Begrüßung. In Deutschland starte die erste klinische Studie mit Phagen und aus der EU gebe es Signale, unter Einhaltung bestimmter Standards auch individuelle Phagen-Therapien zu erlauben.

Phagen, eigentlich „Bakteriophagen“, sind Viren, die ausschließlich Bakterien angreifen – und töten können. Sie gelten als Wunderwaffe gegen antibiotikaresistente Keime – und damit als mögliche Lösung für ein Riesenproblem. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass jährlich 1,3 Millionen Menschen sterben, weil Antibiotika nicht mehr wirken. In Europa sind es mehr als 35 000 Todesfälle pro Jahr, ähnlich viele wie durch Grippe, Tuberkulose und Aids zusammen.