Kurztest Alfa Romeo Tonale Hybrid TI: Passspiel

Der Tonale ist der erste Alfa Romeo mit einem teilweise elektrifizierten Antrieb. Der steckerlose Hybrid kann sogar kurz rein elektrisch fahren. Ein Kurztest

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(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Der Alfa Romeo Tonale markiert als welterster Hybrid-Alfa einen kleinen Schritt für die Autowelt, aber einen großen Sprung für die Mailänder Marke, die sowas wie 1860 München für Autoliebhaber ist – ständig changierend zwischen Kultnische für Connaisseurs und Pennerverein. Wobei Alfa Romeo zuletzt mit der Giulia und dem auf ihr basierenden SUV Stelvio zwei Fahrspaß-Champions gelungen sind, die ich mir gerne in regelmäßigen Abständen als Motivationsbooster in den Testkalender streuen würde.

Der Testwagen ist ein sportlich gemeinter Tonale "TI" (zweithöchste Ausstattungsstufe) mit Frontantrieb und einem 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 116 kW plus 15 kW elektrischer Leistung aus einem 48-Volt-Startergenerator in Verbindung mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Wissend, dass der Tonale als Stellantis-Spross im Kompakt-SUV-Boomsegment vom Jeep-Regal gezimmert wurde, versuche ich meine Erwartungen trotz der sportlich-lebensfreudigen Marken-DNA nicht allzu groß werden zu lassen.

Alfa Romeo Tonale Hybrid TI außen (5 Bilder)

Der Alfa Tonale ist ein italienisierter Jeep Compass. Frontfeilen konnten sie bei Alfa schon hinreissender einkleiden. Man denke an 164, 156 und 166! Laut Pressemappenprosa soll die Seitenlinie allen Ernstes das herzzerreissend schöne Bertone-Coupé der Ur-Giulia (Serie 105) zitieren. Wo und wie, bleibt uns beim besten Willen verborgen … (Bild: Florian Pillau)

Dass der Tonale kein Jeep Renegade ist, haben die Designer dankenswerterweise mit viel Aufwand herausgearbeitet. Ob es gelungen ist, aus einem SUV einen Beau zu machen, muss jeder selbst entscheiden. In der Vergangenheit hatte Alfa jedoch ein gutes Händchen dafür, selbst aus biederen Fiat-Frontantrieben erstaunliche Fahrdynamik zu saugen. Dafür musste man bei Verarbeitung, Platzangebot und Effizienz einiges schlucken.

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Da ist der Tonale ganz anders. Während des kurzen Tests brauchten wir knappe 6,6 Liter, was weder positive noch negative Reaktionen erwachen lässt. Allerdings erlaubt die kurze Testphase mit Fotorunden, Kurzsprints etc. keine faire Verbrauchsermittlung. Tatsächlich dürften Praxisverbräuche von knapp sechs Litern möglich sein. Zumal der Tonale der bislang einzige Alfa ist, der zu sparsamer Fahrweise erzieht und einem den Spaß an Flottheit gänzlich nimmt.

Alfa Romeo Tonale Hybrid TI innen (6 Bilder)

Das Tonale-Interieur, hier in der zweithöchsten Ausstattungslinie "TI” mit zahlreichen Extras, präsentiert sich mit hochwertigen Materialien in tadelloser Verarbeitung ...
(Bild: Florian Pillau )

Die Lenkung kaschiert ihre eigentlich direkte Übersetzung durch eine gefühlte Auskleidung mit Synthetik-Watte. Von der Fahrbahn spürt man gar nichts. Das ist für einen Jeep total in Ordnung, für Alfisti aber ein herber Schlag. Noch betrüblicher ist die Motorcharakteristik. Wenn man beim Tonale Gas gibt, äußert er, wie so viele andere moderne Autos, einen irritiert-gequälten Lärm. Von Beschleunigung ist indessen nur wenig zu spüren.

Die 8,8 Sekunden für den Standardsprint fühlen sich beim vorerst stärksten Tonale in der Praxis richtig müde an. Allerdings kann man angesichts der Überflut von Elektro-SUV und übermotorisierten Limousinen mit Warp-Beschleunigung als Autotester auch ein wenig den Sinn für die Realitäten verlieren. Weniger inspirierend als der Tonale hat aber bisher kein Alfa, den ich fuhr, an Fahrt aufgenommen.

Alfa Romeo Tonale Hybrid TI - Außendetails (7 Bilder)

Die serienmäßigen Voll-LED-Scheinwerfer sehen gut aus und spenden gutes Licht. Sie sind ein Ausweis, wie hoch der Standard bei der Lichttechnik heutzutage ist. Die selbsternannten süddeutschen Premium-Hersteller leisten hier zwar deutlich mehr, aber niemand wird im Tonale bei Nachtfahrten in ungünstiger Witterung etwas vermissen. (Bild: Florian Pillau)

Um den Tonalepass mit Freude zu bezwingen, muss man schon einen Alfa Stelvio oder, noch viel besser, eine Giulia haben. Serpentinen mit dem Tonale sind eher eine lästige Pflichtübung. Das ist alles nicht tragisch, stempelt aber den Pressemappenverfasser zum infamen Beschöniger. Dort heißt nämlich eine Zwischenüberschrift: "Die elektrische Energie steht im Dienste der DNA von Alfa Romeo." In Pressemappen steht zwar nie die ganze Wahrheit, so eine dreiste Behauptung ist aber selbst in der ärgsten Beschönigungslyrik eher selten. Dabei ist der Hybrid-Antriebsstrang im Tonale durchaus bemerkenswert. Er stammt in wesentlichen Zügen vom Jeep Compass e-Hybrid.

Dieser Hybridantrieb hat die Besonderheit, dass man trotz Fehlen eines Ladesteckers sehr kurze Distanzen bis zu einer Geschwindigkeit von 15 km/h rein elektrisch zurücklegen kann. Dass dieser Antrieb von Jeep kommt, ist folgerichtig. Denn gerade auf unbefestigtem und rutschigem Terrain ist die Antriebskraft rein elektrisch ideal zu dosieren. Im Tonale fällt die Technik in erster Linie dadurch auf, dass sie nicht auffällt.

Das sollte bitte durchaus als ein großes Lob verstanden werden. Anders als viele andere Fahrzeuge kann man mit dem Tonale unbehelligt von einer vorwitzigen Start-Stopp-Regelung auf Ampeln zurollen, bremsen, wieder anfahren. Ob und wann der Verbrenner anspringt, fällt nur auf, wenn man den Drehzahlmesser fixiert oder bewusst darauf achtet. Dass das auch bei Fahrzeugen mit 48-Volt-Bordnetz keine Selbstverständlichkeit ist, zeigte zuletzt erschreckend deutlich ein Nissan Qashqai aus unserem Testwagenpool.

Alfa Romeo Tonale Hybrid TI - Innendetails (5 Bilder)

Bis in die Detailbereiche ist das Cockpit des Tonale aus wertigen Materialien, die gut verarbeitet sind. Alles ist am richtigen Platz und lässt sich intuitiv bedienen. (Bild: Florian Pillau)

Gefallen kann auch das Interieur des neuen Alfa. Es wartet mit einer alfa-esken Formensprache auf, lässt sich intuitiv bedienen und ist sogar sehr gut verarbeitet. Eine Qualität, die Alfas, die ich mochte, oft nicht hatten. Die Sitze sind angenehm konturiert, eine bequeme und ergonomische Position findet der Fahrer im Handumdrehen. Auch hinten sitzt es sich so, dass selbst zwei großgewachsene Erwachsene auch Langstrecken beschwerdefrei überstehen können. Erst mit einem dritten wird es hinten auf langen Strecken allerdings unbequem. Der Kofferraum ist mit 500 bis 1550 Litern Volumen ebenfalls voll fernreisetauglich und für das Kompakt-SUV-Segment überdurchschnittlich dimensioniert.

Dafür sind die Preise, die für dieses in Hinsicht auf den Fahrspaß nicht herausragende Brot-und-Butter-SUV mit Premium-Sport-Nischen-Anstrich aufgerufen werden, ziemlich stramm. Unter 40.000 Euro geht nicht viel. Für ein attraktiv ausgestattetes Modell müssen eher um die 50.000 Euro eingeplant werden. Dafür erhält man dann einen gut ausgestatteten PSA-Jeep-Kompakt-SUV mit liebevoller Verarbeitung – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Was man dagegen nicht bekommt, ist ein richtiger Alfa Romeo.

Bildlich gesprochen ist der Pass des AC Milan in diesem Fall zu ungenau und wenig torgefährlich. Aber wahre Fans sind Kummer gewohnt, wenngleich nicht aus dieser Richtung. Die Marke geht mit der Verwässerung ihres Kerns ein hohes Risiko. Vielleicht haben die Strategen aber letztlich recht: Möglicherweise reicht der Zielgruppe bereits der äußere Schein, einen Alfa Romeo zu fahren.

Die Kosten für die Überführung hat der Hersteller übernommen, jene für Sprit die Redaktion.