Digitale Gesundheitsanwendungen: Rechtlicher Rahmen auf weiten Strecken unklar

Digitale Gesundheitsanwendungen sollen Versicherten einen Mehrwert bieten. Doch die rechtlichen Erwartungen an die Hersteller bleiben teils unklar.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Health,Technology,And,Modern,Lifestyle,Concept:,Young,Woman,Using,A

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Dr. Maximilian Wagner
  • Pauline Engels
Inhaltsverzeichnis

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) können Patienten dabei unterstützen, die Zeit bis zu einer Behandlung zu überbrücken und Therapieerfolge auch danach kontinuierlich beizubehalten. Derzeit sind 53 solcher DiGA in einem eigenen Verzeichnis – dem DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – gelistet und damit verschreibungsfähig.

Seit 2019 haben Versicherte einen gesetzlichen Anspruch auf die Versorgung mit DiGA. So steht es in § 33a SGB V. Dort ist auch festgelegt, was genau DiGA sind, nämlich "Medizinprodukte niedriger Risikoklasse, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht". DiGA unterscheiden sich also von anderen Gesundheitsanwendungen dadurch, dass sie als Medizinprodukte zertifiziert sind, und von herkömmlichen Medizinprodukten dadurch, dass ihre Hauptfunktion im Wesentlichen auf digitalen Technologien beruht. Ein Beispiel für eine DiGA ist eine App, die Sehübungen in einer virtuellen Sehschule anbietet.

Nicht um eine DiGA handelt es sich beispielsweise, wenn die Anwendung lediglich dem Auslesen oder Steuern eines Geräts – zum Beispiel einer Insulin-Pumpe – oder der Primärprävention dient, also beispielsweise zum Sport animiert oder Ernährungsvorschläge macht. Niedrige Risikoklasse bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Anwendung nicht zu einer Gefahr für den Nutzer oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung seines Gesundheitszustands führen darf.

Wer eine DiGA herstellen, zertifizieren und in das DiGA-Verzeichnis eintragen lassen möchte, muss eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen beachten. Dazu zählen zum Beispiel das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz, die Medical Device Regulation (MDR) und die In-Vitro-Diagnostic-Regulation. Sie regeln, welche Voraussetzungen – etwa im Qualitäts- und Risikomanagement – ein Medizinprodukt erfüllen muss, um die erforderliche CE-Kennzeichnung zu erhalten.

Darüber hinaus stellen SGB V und die "Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung" (DiGAV) besondere Anforderungen speziell an DiGA. Sie regeln beispielsweise die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis. Danach erfolgt die Aufnahme nur auf Antrag des Herstellers und nur dann, wenn er nachweisen kann, dass die Anwendung bestimmte Anforderungen erfüllt, § 139e Abs. 2 SGB V.

Die entsprechenden Anforderungen werden in erster Linie durch die DiGAV erläutert. Sie betreffen beispielsweise die Qualität, den Datenschutz oder die Datensicherheit der Anwendung. Hersteller sind zum Beispiel dazu verpflichtet, ihre Anwendung barrierefrei, frei von Werbung und interoperabel auszugestalten. Darüber hinaus müssen sie positive Versorgungseffekte ihrer Anwendung nachweisen. Weitere Anforderungen werden außerdem durch die Prüfkriterien an den Datenschutz und die Datensicherheit festgelegt, die das BfARM in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) spezifiziert.

Von Anfang an war der Gesetzgeber bestrebt, DiGA schnell in die Regelversorgung zu bringen. Daher hat der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Herbst 2020 das sogenannte Fast-Track-Verfahren für DiGA eingeführt, um bürokratische Hürden abzubauen und weitere Anreize für Hersteller zu schaffen. DiGA sollen zwar weiter alle Anforderungen erfüllen, die sich aus den einschlägigen Regelungen ergeben. Allerdings soll das BfArM über eingehende Anträge innerhalb von drei Monaten entscheiden und eine DiGA auch dann in das DiGA-Verzeichnis aufnehmen, wenn der Hersteller noch nicht in der Lage ist, Versorgungseffekte nachzuweisen.

Konkret bedeutet das, dass bei Antragstellung keine Studie mehr vorgelegt werden muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Hersteller begründet, dass die DiGA zur Verbesserung der Versorgung beiträgt, und genauer darlegt, wie der Versorgungseffekt nach Ablauf des Erprobungszeitraums nachgewiesen werden kann. Gegebenenfalls kann der Erprobungszeitraum sogar von einem auf zwei Jahre verlängert werden, wenn der spätere Nachweis positiver Versorgungseffekte überwiegend wahrscheinlich ist.