Nachhaltiger Beton: Wie der graue Baustoff klimafreundlicher werden kann

Seite 3: Dauerhaftigkeit testen

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Auch aus anderen Pflanzenabfällen wie Zuckerrohrresten oder Maiskolben lässt sich hervorragender Zement herstellen. "Asche aus Reisschalen hat sogar eine höhere Festigkeit als klassischer Zement, das ist sozusagen der Rolls Royce unter den Aschen", so Schmidt.

Eine dazu nötige Ofenlinie für Lehr- und Forschungszwecke hat Schmidt mit seinen Partnern, unterstützt vom Bundesforschungsministerium, auf dem Campus der University of Ghana errichtet. "Das Ganze ist nicht völlig CO2-neutral, aber schon deutlich weniger CO2-intensiv", sagt Schmidt. Genaue Zahlen, wie viel Kohlendioxid im großen Maßstab eingespart werden könnten, habe er leider nicht. Für sein Projekt zur Verwertung von Maniokschalen in Nigeria bekam er 2018 den Deutsch-afrikanischen Innovationsförderpreis des Bundesforschungsministeriums.

Mit dem Geld will er nun ein Haus aus Maniok-Beton bauen, um eine zentrale Frage zu beantworten: "Bei jedem Vortrag ist immer irgendjemand im Publikum, der fragt: Was ist mit der Dauerhaftigkeit?", so Schmidt. "Woher soll ich das genau wissen, wenn es noch keiner jemals gemacht hat? Deshalb muss man das ausprobieren und anfassbar machen." Eigentlich sollte das Haus im Jahr 2020 gebaut werden, doch dann kam Corona dazwischen. Im Oktober soll es nun weitergehen.

Würde man alle verfügbaren Maniokschalen sammeln und weiterverarbeiten, ließe sich damit 2,5 bis 5 Prozent des Zements in Nigeria ersetzen, heißt es in einem Paper von Schmidt. Damit ist klar: Für eine flächendeckende Dekarbonisierung reicht das nicht. Aber die Welt des Betons ist vielfältig, und es muss nicht immer Maniok sein. Schmidt: "Das Wunderbare an Beton ist, das man überall auf der Welt mit lokalen Bindemitteln bauen kann." Dazu müsse man keinen Hüttensand aus Pakistan nach Kenia bringen oder Maniokschalen aus Afrika in die Schweiz. Um genau zu erfahren, welche Reststoffe man wo zu welcher Zeit am besten entnehmen könne, sei eine Datenbank mit Künstlicher Intelligenz wünschenswert, die berechnet, mit welchen Stoffen gewünschte technische Eigenschaften erreicht werden können und ob die Versorgungsketten die benötigten Mengen auch hergeben. Bisher sei solch eine KI aber "leider nur ein Wunsch", so Schmidt.

Die UN-Studie sieht für Pflanzenasche zwar durchaus interessante Möglichkeiten auf regionaler Ebene. Größeres Potenzial sieht sie aber in "kalzinierten Tonen". Ton – besonders, wenn er das Aluminium-Silizium-Mineral Kaolinit enthält – wird reaktiv, wenn er bei 700 bis 850 Grad gebrannt wird, also bei deutlich niedrigeren Temperaturen als Kalkstein. Er steht laut UN-Studie weltweit "praktisch unbegrenzt" zur Verfügung. Auch Schmidt hält sie "in Verbindung mit Kalksteinmehl von den reinen Mengen her global für einen wesentlichen Teil der Lösung". Allerdings können ihre Eigenschaften regional sehr unterschiedlich ausfallen. "Es funktioniert, aber man muss mit viel mehr Wissen und Forschung an das Bindemittel ran und dafür fehlt es global noch an Kenntnissen." Das größte Manko sei aber das mangelnde Vertrauen der Verbraucher in Neuentwicklungen. "Der Beton hat plötzlich eine andere Farbe und schon sind die Leute skeptisch."

Oft sind es aber keine mehr oder minder exotischen Materialien, die den größten Hebel bieten, sondern Finetuning der Prozesse – zum Beispiel beim Mahlen und Mischen. Zement besteht nämlich nicht nur aus chemisch reaktivem Klinker, sondern auch aus einem "Füller", meist bestehend aus schlichtem ungebrannten Kalkstein. Wasser und Klinker durchdringen die Lücken zwischen den Partikeln dieses Füllers und verfestigen das Gemisch. Wenn aber die Korngröße so optimiert ist, dass die Lücken dazwischen möglichst klein werden und ein chemisches Dispersionsmittel für eine gleichmäßige Durchmischung sorgt, ist bei gleicher Festigkeit weniger Klinker nötig. Schon heute werden handelsüblichem Zement 5 bis 35 Prozent Füller zugesetzt. Allein das "optimierte Mix-Design" könne den Anteil an Füller ohne Zugeständnisse bei der Festigkeit auf über 50 Prozent erhöhen, heißt es in der Studie von UN Environment. Damit ließe sich die Öko-Effizienz von Zement um den Faktor vier gegenüber der schlechtesten Variante verbessern.

Eine große Stärke des Portland-Zements ist gleichzeitig auch eine weitere Schwäche: der bequeme Umgang mit ihm. Gerade in Schwellenländern kommt meist ein Standard-Zement im Sack auf die Baustelle und wird erst dort zu Beton angesetzt – oft mit einem übertrieben großzügigen Anteil an Zement. Würde Beton verstärkt unter genau definierten Bedingungen in Fabriken angesetzt und fertig gemischt zur Baustelle gebracht, ließen sich nach Schätzung der UN-Studie rund zehn Prozent des Zements einsparen. In China ist das Ansetzen von Beton direkt auf der Baustelle schon seit 2003 verboten. Das funktioniert allerdings nur in Städten, wo die Anfahrtswege nicht zu lang sind.