Nachhaltiger Beton: Wie der graue Baustoff klimafreundlicher werden kann

Seite 4: "General Purpose" nicht sinnvoll

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"Wir glauben, dass der ‚General Purpose‘-Ansatz für Zement-Standards eine große Hürde für die umweltfreundliche Optimierung ist", schreiben die Autoren des UN-Reports. Zum Beispiel ist Universal-Zement in der Regel stark alkalisch, weil sich aus einem Teil des Kalksteins Calciumhydroxid (CaOH) bildet. Das soll Stahlarmierungen vor der Korrosion schützen, trägt aber selbst nichts zur Festigkeit bei.

Nun ist es aber so, dass nur rund ein Viertel des Zements in Stahlbeton landet – der Rest geht in Putz, Mörtel oder Fertigprodukte aus Beton, wo ein hoher pH-Wert gar nicht nötig ist. Also ließen sich dort auch problemlos kalkärmere Alternativen mit besserer Treibhausgasbilanz einsetzen. Oder auch Zemente, die nicht mit Wasser aushärten, sondern durch "Carbonisierung": Sie nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und binden es chemisch. Solche Zemente sind keine CO2-Quelle mehr, sondern sogar CO2-Speicher.

Leider funktioniert das nur unter genau definierten Bedingungen, weil sichergestellt werden muss, dass der Zement beim Aushärten ausreichend Kontakt mit dem Kohlendioxid bekommt. Auf einer Baustelle dürfte das schwierig werden – nicht aber in einer Fabrik für Fertigteile wie Wände, Träger, Platten oder Ziegel. Die US-Firma Solidia Cement hat ein solches Verfahren nach eigenen Angaben bereits in 50 Zementfabriken in 10 Ländern erfolgreich demonstriert. Ihr Verfahren lasse sich in normalen Brennöfen durchführen, beschleunige die Aushärtung und verbrauche weniger Wasser und Energie, so Solidia.

"Das Potenzial der neuen Zement-Techniken ist ermutigend", schreiben die Autoren der UN-Studie. "Sie werden voraussichtlich mehr kosten als gegenwärtiger Zement, aber viel weniger als Kohlendioxid-Abscheidung." Und sie werden eine flexiblere Normierung benötigen. "Die ganze Normung ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Wolfram Schmidt. "Sie basiert im Grundsatz nach wie vor nur auf Beton aus Portland-Zement." Um das zu ändern, arbeitet er in einem weltweiten Netzwerk, dem GLOBE – Global Consensus on Sustainability in the Built Environment, an den Grundlagen für eine aktualisierte Normung.

Damit einher müsse auch eine bessere Ausbildung gehen, fordert Schmidt: "Bauingenieure werden nicht über die Chemie des Zements ausgebildet und Themen der Nachhaltigkeit fließen nur langsam in die Lehrpläne ein. Oft sind sie nur noch Erfüller von Normen, die dann oft nicht mal mehr zeitgemäß sind. Das Denken und Entwickeln, was ja eigentlich die Uraufgabe von Ingenieuren ist, bleibt da häufig auf der Strecke."

(bsc)