Next Level: KI-Coins gehen durch die Decke

Hype und Hype gesellt sich gern: KI und Krypto - das passt anno 2024 zusammen wie Frühling und Eiscreme. Welche Projekte gibt es – und was steckt dahinter?

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(Bild: Zakharchuk/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Nils Jacobsen
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Technologieaktien machen 2024 da weiter, wo sie im Vorjahr aufgehört haben – und Krypto auch. Am meisten an der Wall Street gefragt sind dabei Unternehmen mit einem Bezug zum Trendthema der Dekade: Künstliche Intelligenz (KI).

Der Hype ist unterdessen auch am Kryptomarkt angekommen. Befeuert von Bitcoins Rekordjagd erfreut sich auch die zweite und dritte Reihe an Kryptowährungen massiver Kurszuwächse: Während Bitcoin und Ethereum in den elf Wochen seit Jahresbeginn um 68 bzw. 73 Prozent zulegten, konnten mit KI assoziierte Projekte dreistellige Kursgewinne verbuchen. Near Protocol (NEAR) legte seit Jahresbeginn um 115 Prozent zu, Bittensensor (TAO) und Render (RNDR) jeweils 150 Prozent, während Worldcoin (WLD) und Fetch AI (FET) gar enorme Wertzuwächse von 180 bzw. 300 Prozent in zweieinhalb Monaten verbuchen konnten.

"KI wird eines der größten Narrative dieses Zyklus sein", ist sich der Krypto-Experte Lark Davis, der es auf X auf mehr als 1 Million Follower bringt, sicher. "Die gesamte Marktkapitalisierung von KI- und Big-Data-Münzen beträgt nur 37,9 Milliarden US-Dollar", twitterte Davis vor einigen Tagen. (Aktuell beträgt die Marktkapitalisierung 43 Milliarden Dollar.) "Diese Marktkapitalisierung wird in den nächsten 12 bis 18 Monaten explodieren", glaubt der Betreiber des viel gelesenen Krypto-Newsletters "Wealth Master".

Das KI-Kryptoprojekt, das in der Vergangenheit die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist Worldcoin, das von Tools for Humanity gegründet wurde – ein Unternehmen, das von Max Novendstern, Alex Blania und OpenAI-CEO Sam Altman bereits im Jahr 2019 ins Leben gerufen wurde. Das Ziel von Worldcoin ist es, durch den Einsatz einer Ethereum-basierten Kryptowährung WLD eine inklusivere und gerechtere globale Wirtschaft zu fördern.

Einzigartig an Worldcoin ist die Verwendung von Iris-Scans zur Erstellung einer eindeutigen digitalen Identität, die sogenannte World ID, um echte Menschen von Bots zu unterscheiden. Missbrauch hat es schon jetzt gegeben, in Afrika haben Menschen ihren Iris-Scan verkauft, Kenia und Spanien haben Worldcoin verboten.

Allein die Verbindung zu OpenAI-Chef Sam Altman hat Worldcoin dennoch zu einem Hype-Kryptoprojekt gemacht. In der vergangenen Woche legte der Coin um fast 200 Prozent zu und erreichte bei Kursen von knapp 12 Dollar sein vorläufiges Allzeithoch. WLD bringt es aktuell auf eine Marktkapitalisierung von 1,5 Milliarden Dollar und zählt damit zu den 100 wertvollsten Kryptowährungen der Welt.

Um etwa das Fünffache wertvoller ist NEAR Protocol. Ursprünglich 2017 als reines KI-Unternehmen ohne Blockchain-Bezug von Illia Polosukhin (zuvor bei Google Research) und Alexander Skidanov gegründet, begann NEAR 2018 mit der Entwicklung des NEAR-Protokolls, dessen Mainnet 2020 eingeführt wurde. NEAR basiert auf einem Proof-of-Stake-System und verwendet das Nightshade-Konsensprotokoll, welches es ermöglicht, etwa 100.000 Transaktionen pro Sekunde zu verarbeiten.

NEAR Protocol ist eine Layer-1-Blockchain, die als Plattform dient, auf der Entwickler dezentrale Anwendungen (DApps) bauen können. Sie zielt darauf ab, die Probleme der Skalierbarkeit zu lösen, die viele andere Blockchains – einschließlich Ethereum und Bitcoin – plagen. Ermöglicht werden soll dies durch eine Technik namens „Sharding“, die die Blockchain in kleinere Teile aufteilt, um die Transaktionsgeschwindigkeit und -kapazität zu verbessern.

Aktuell hat NEAR eine Marktkapitalisierung von über 8 Milliarden Dollar, was es zur wertvollsten Kryptowährung mit KI-Bezug macht. Der NEAR-Coin verzeichnete allein seit Jahresbeginn eine Wertsteigerung von rund 150 Prozent auf über 8 Dollar – den höchsten Wert seit Mai 2022, was teilweise auf die Teilnahme des NEAR-Gründers an Nvidias KI-Konferenz GTC zurückzuführen ist, die am 18. März stattfindet. Dort soll auch NEARs neue KI-orientierte Initiative "Near Tasks" vorgestellt werden. Seit Anfang März hat sich der Wert von NEAR fast verdoppelt, was durch das wachsende Interesse an KI-bezogenen Token im Vorfeld der Nvidia-Konferenz noch verstärkt wurde. Vom Allzeithoch Anfang 2022 bei 20 Dollar ist NEAR aber noch mehr als 60 Prozent entfernt.

Der nächstgrößere Coin mit einer Marktkapitalisierung von 4,3 Milliarden Dollar ist Render. Der Render Token (RNDR) wurde erstmals im Oktober 2017 über einen öffentlichen Token-Verkauf eingeführt, gefolgt von einem privaten Verkauf von Januar 2018 bis Mai 2018. Der Kursverlauf folgt wie fast jede Kryptowährung Bitcoins 4-Jahreszyklus mit einem früheren Hoch Ende 2021 bei knapp 8 Dollar, einem fast 95-prozentigen Absturz, aber bemerkenswerterweise als einer der wenigen Kryptowährungen in den vergangenen Wochen wieder mit neuen Allzeithochs mit Kursen von über 12 Dollar.

Die Render-Plattform, die vor allem von der Musik- und Kreativszene genutzt wird, soll besonders schnelle Rendering-Dienste zu einem Bruchteil der Kosten traditioneller Visual Effects-Studios anbieten und gleichzeitig den Energieverbrauch optimieren. Der KI-Bezug von Render ergibt sich vor allem aus der Fähigkeit, Rendering-Aufgaben zu beschleunigen, die in KI- und maschinellem Lernen für die Visualisierung von Daten, die Erstellung von Inhalten und andere grafisch intensive Prozesse erforderlich sind.

Mit einer Marktkapitalisierung von 4,2 Milliarden Dollar nur minimal dahinter notiert Bittensenor (TAO). Bittensensor ist eine Plattform, die 2019 gegründet wurde, um die Entwicklung und den Austausch künstlicher Intelligenz auf einem offenen Markt zu ermöglichen. Sie zielt darauf ab, die Entwicklung und den Vertrieb von KI-Technologien effizienter und zugänglicher zu machen, indem sie die Distributed-Ledger-Technologie der Blockchain nutzt.

Das Herzstück des Bittensor-Ökosystems ist der TAO-Token, der als Zahlungsmittel für den Zugriff auf KI-Dienste und Anwendungen dient, die auf dem Bittensor-Netzwerk basieren. Bittensor strebt danach, die KI-Entwicklung durch einen dezentralisierten und kollaborativen Prozess zu öffnen, um die derzeitige Zentralisierung der KI-Entwicklung herauszufordern, die hauptsächlich in den Händen der Big-Tech-Giganten liegt. Es möchte die kollektive Leistung aller mit dem Internet verbundenen Computer nutzen, anstatt sich auf eine Handvoll Supercomputer zu verlassen, die den großen Technologieunternehmen gehören. Der TAO-Coin wird an den Kryptobörsen erst seit knapp einem Jahr gehandelt und hat sich seitdem mehr als verzehnfacht.