Ampeln und Co: Wie technische Regelwerke die Verkehrsplanung beeinflussen

Verkehrsplanung beruht zum großen Teil auf technischen Regeln. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen spielt die entscheidende Rolle.

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Die Programmierung von Ampeln ist in einem "technischen Regelwerk" detailliert geregelt. Meist zum Vorteil des Autoverkehrs. Dies hier ist allerdings kein Amoklauf von Verkehrsplanern, sondern Kunst: Die Lichtskulptur "Traffic Light Tree" (Pierre Vivant) steht in London und enthält 75 computergesteuerte Verkehrsampeln., Mauritius images / DBURKE / Alamy

Die Programmierung von Ampeln ist in einem "technischen Regelwerk" detailliert geregelt. Meist zum Vorteil des Autoverkehrs. Dies hier ist allerdings kein Amoklauf von Verkehrsplanern, sondern Kunst: Die Lichtskulptur "Traffic Light Tree" (Pierre Vivant) steht in London und enthält 75 computergesteuerte Verkehrsampeln.

(Bild: Mauritius images / DBURKE / Alamy)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Bernd Müller
Inhaltsverzeichnis

Deutschland ist gespalten. Das zeigt sich nirgends so drastisch wie in der Verkehrspolitik. Tempolimit auf Autobahnen? Auf keinen Fall, denn freie Bürger brauchen freie Fahrt. Mehr Radwege? Gerne, aber nicht zulasten von PKW-Fahrspuren und Parkbuchten. Egal was Verkehrsexperten für mehr Klimaschutz vorschlagen: Das Jammern ist groß, häufig müssen Gerichte entscheiden. "Eine Fahrspur wird grün, die Leute sehen rot", titelte erst kürzlich der Spiegel – demnächst bestimmt auch in Ihrer Stadt.

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Wenn den Skeptikern der Verkehrswende die Argumente ausgehen, ziehen sie ihr stärkstes Ass aus dem Ärmel: die Regelwerke der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Die FGSV ist ein eingetragener Verein, der definiert, nach welchen technischen Vorgaben der Verkehr in Deutschland zu funktionieren hat. Wenn eine Autobahn gebaut, Parkbuchten geplant oder die Schaltzeiten von Ampelanlagen festgelegt werden, dann geschieht dies nach Vorgaben, die in Dutzenden Arbeitskreisen des Vereins erarbeitet wurden. Trotz dieses Einflusses kennen selbst manche Mitglieder des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags diese Organisation nicht, wie Oliver Schwedes festgestellt hat.

Der Verkehrsforscher, der neun Jahre den Fachbereich Integrierte Verkehrsplanung an der TU Berlin geleitet hat, wirft ihr Intransparenz und fehlende demokratische Legitimierung vor – sowie eine über Jahrzehnte tradierte Bevorzugung des Autoverkehrs. Schwedes kann sich die Kritik leisten: Als Sozialwissenschaftler ist er Quereinsteiger, die obligatorische ehrenamtliche Mitarbeit in der FGSV blieb ihm erspart. Junge Wissenschaftler und Ingenieure, die in der Verkehrsforschung und -planung Karriere machen wollen, kommen dagegen in solche Positionen nur, wenn sie lange in den Gremien der FGSV aktiv sind und sich mit den Mitgliedern gut stellen. Die sehen ihr Wirken längst nicht so negativ wie Oliver Schwedes.